Investment Migration Pioneer, Entrepreneur and Investor, Advisor to Governments, Author, Humanitarian, and Global Citizen
»Viele US-Amerikaner wollen jetzt eine weitere Staatsbürgerschaft«
Christian Kälin vermittelt Staatsbürgerschaften gegen Geld. Seit dem Wahlsieg Donald Trumps schlagen vermehrt US-Amerikaner bei ihm auf, vor allem die Karibik ist beliebt. Kommt es zu einem Exodus?
Ein Interview von Henning Jauernig
SPIEGEL: Herr Kälin, mit Ihrem Unternehmen Henley & Partners vermitteln Sie Staatsbürgerschaften und Aufenthaltsbewilligungen. Das turbulente Weltgeschehen dürfte Ihr Geschäft beflügeln, oder?
Kälin: Absolut, unsere Dienstleistungen und Beratungen werden stark nachgefragt. Seit dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA erleben wir einen weiteren Boom. Viele US-Amerikaner wollen jetzt eine weitere Staatsbürgerschaft. Die Nachfrage ist im Vergleich zum Vorjahr um 144 Prozent gestiegen.
SPIEGEL: Hat Sie das gestiegene Interesse überrascht?
Kälin: Nein, das war abzusehen. Schon im Vorfeld der Wahl haben viele Amerikaner überlegt, das Land zu verlassen, wenn die Gegenseite gewinnt. Es ist ein weiterer Ausdruck der zunehmenden Polarisierung im Land. Nun machen sich viele Demokraten auf den Weg und suchen einen Plan B.
SPIEGEL: Was erhoffen sie sich von einer zweiten Staatsbürgerschaft?
Kälin: Viele Amerikaner sehen einen zweiten Pass oder einen Aufenthaltstitel als eine Art Versicherung. Sie bereiten sich damit darauf vor, das Land einfacher verlassen zu können, sollten sich die USA zu einer Autokratie entwickeln. Zudem wollen sie die Möglichkeit haben, leichter eine längere Zeit im Ausland zu verbringen. Das ist sonst nämlich gar nicht so einfach. Wenn ein US-Amerikaner länger in Europa bleiben will, benötigt er ein Visum. Also kann es attraktiv für unsere Klienten sein, ein Haus in Griechenland oder Lettland zu kaufen, um dadurch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen. Andere gehen noch einen Schritt weiter: Ein US-Unternehmer, der mehrere Fabriken für Maschinenbau in Italien und den Niederlanden betreibt, hat kürzlich die Staatsbürgerschaft Maltas angenommen, um dauerhaft in der EU sein zu können.
SPIEGEL: Solche Maßnahmen dürften sich nur sehr reiche Menschen leisten können, oder?
Kälin: Nein, ein zweiter Pass oder eine Aufenthaltsbewilligung sind nicht etwas nur für Superreiche. Zu unseren Kunden zählen Hunderttausende Menschen aus der Mittelschicht. Auf Antigua in der Karibik bekommen Sie eine Staatsbürgerschaft schon für rund 250.000 Euro, mit Angehörigen wird es etwas teurer. Aber das ist immer noch überschaubar. Dann können Sie in der gesamten Karibik jederzeit ohne Einschränkungen leben.
SPIEGEL: Kürzlich hat Ihr Unternehmen eine Partnerschaft mit dem pazifischen Inselstaat Nauru gestartet. Was hat es damit auf sich?
Kälin: Ausländer können nun für rund 150.000 Dollar die nauruische Staatsbürgerschaft erhalten. Mit dem Pass können sie problemlos rund 70 Länder bereisen, das ist sehr attraktiv. Aber auch das Land profitiert, das eingenommene Geld fließt nämlich in einen Staatsfonds, der Auswirkungen des Klimawandels bekämpfen soll. Das Land ist von der Erderwärmung massiv betroffen, womöglich müsste ohne unser Programm wegen des ansteigenden Meeresspiegels die gesamte Bevölkerung nach Australien umgesiedelt werden. Mehr als ein Dutzend US-Amerikaner haben bereits über uns in das Land investiert und einen zweiten Pass bekommen.
SPIEGEL: Es geht Ihren Klienten also gar nicht darum, in einem anderen Land leben zu können, sondern besser reisen zu können?
Kälin: Man will sich auf das Auswandern vorbereiten, aber in den seltensten Fällen geschieht dies bereits. Es geht unseren Klienten vermehrt darum, ihre Mobilität zu verbessern. Der US-Pass ist nicht besonders attraktiv, was das Reisen angeht, wie unser jährlicher »Henley Global Passport Index« zeigt. Wegen des großen Einflusses der USA sind Amerikaner nicht gerade beliebt im Ausland. Terroristen nehmen sie gern ins Visier. Ein zweiter Pass kann Leben retten.
SPIEGEL: Spielt nicht eher Steuervermeidung bei zweiten Staatsbürgerschaften eine Rolle?
Kälin: Nein, das ist ein Irrglaube. Die Amerikaner behalten generell ihre US-Pässe und bleiben damit in ihrem Land steuerpflichtig.
SPIEGEL: Die Max-Planck-Gesellschaft meldet viel mehr Bewerbungen aus den USA als früher. Präsident Patrick Cramer will dort gezielt um Spitzenforscher werben. Würde das Ihr Geschäft beeinflussen?
Kälin: Noch sind es unter unseren Klienten wenige, die das Land dauerhaft verlassen wollen. Aber Deutschland wäre gut beraten, es Topkräften aus dem Ausland zu erleichtern einzureisen und die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Ich wundere mich seit Jahren, warum Deutschland kein »Golden-Visa-Programm« hat. Damit könnten Talente und Investoren aus dem Ausland angelockt werden. Andere Staaten wie Malta, Portugal oder Zypern haben es vorgemacht und Milliarden mit ihren Programmen eingenommen.
SPIEGEL: Kritiker argumentieren, solch ein Verscherbeln von EU-Pässen bringe fragwürdige Kriminelle und Geldwäscher auf den Kontinent.
Kälin: Dem widerspreche ich entschieden. Die Zahl der Unerwünschten, die auf diesem Weg nach Europa kommen, ist verschwindend gering. Malta etwa bürgert wenige Hundert Menschen auf diesem Weg ein und prüft diese genau. In der EU werden jährlich mehrere Hunderttausend Menschen eingebürgert. Da kommen Menschen ins Land, weil sie einfach irgendwelche italienischen, rumänischen oder bulgarischen Vorfahren haben.
SPIEGEL: US-Präsident Trump hat am Dienstag ein neues Visaprogramm angekündigt. Künftig sollen die USA demnach »Goldkarten« an wohlhabende Ausländer verkaufen, für einen Preis von fünf Millionen US-Dollar. Eine gute Idee?
Kälin: Wir begrüßen das. Das Land würde damit noch attraktiver für vermögende Personen, die einen Beitrag zur amerikanischen Wirtschaft leisten wollen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der US-Regierung, um Interessenten für das neue Programm zu finden.
SPIEGEL: Der designierte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schlug im Wahlkampf vor, straffälligen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Was halten Sie davon?
Kälin: Auf unser Geschäft hätte eine solche Entscheidung keinen Einfluss. Zum einen werden unsere Klienten praktisch nie straffällig. Zudem fragen deutsche Kunden zweite Staatsbürgerschaften nicht so sehr nach. Ihnen geht es eher darum, einen Aufenthaltstitel im Ausland zu bekommen, gekoppelt mit einem Immobilienerwerb. Viele Deutsche investieren in Kanada, den USA, der Schweiz oder Dubai.
SPIEGEL: Welche Trends erwarten Sie in Zukunft für Ihr Geschäft?
Kälin: In Zukunft könnte der Klimawandel für weitere Nachfrage nach neuen Pässen sorgen. Menschen werden sich unabhängiger machen wollen von ihrem Wohnort. Unsere Klienten aus Bangladesch und Kuwait fragen uns schon jetzt, wo sie hin können, weil es in ihrem Land einfach zu heiß geworden ist. Aber für den Großteil der Klienten ist das Thema noch weit weg, bei ihnen ist die Angst vor militärischen Konflikten viel ausgeprägter.
SPIEGEL: Und wo ist man derzeit am sichersten auf der Welt vor einer militärischen Eskalation?
Kälin: Wenn es einen dritten Weltkrieg gibt, ist wohl Neuseeland oder der pazifische Raum keine schlechte Idee. Dort ist man weit weg von allem, und das Wetter ist auch ganz passabel.